Geburtsbericht

Es ist Freitag, eine Woche vor ET, 04:30 Uhr: Ich wache mit Unterleibsschmerzen auf. Ich drehe mich auf die andere Seite und die Schmerzen verschwinden wieder – aber nur um ein paar Minuten später wieder zu kommen. Ich bin müde und möchte eigentlich noch weiter schlafen.

Nach einer halben Stunde, in der ich mich immer wieder hin und her gewälzt habe, stehe ich leise auf und gehe ins Wohnzimmer. Meine Frau und der Große sind zum Glück nicht wach geworden. Ich stelle fest, dass die Unterleibsschmerzen alle 10 Minuten kommen, aber nur relativ kurz anhalten. Ich frage mich: Sind das schon Wehen? Ob hier gerade die Geburt beginnt…?

Rückblick

Es ist Mittwoch, 2,5 Wochen vor ET: Meine Frau und ich sind zur Vorsorge im Geburtshaus. Heute lernen wir Nadine kennen. Ich berichte wie erleichtert ich bin, dass wir es wirklich in die Rufbereitschaft geschafft haben. Bei unserem Großen ging es leider zu früh los, sodass wir ins Krankenhaus mussten. Aber nun sind wir mit unserem 2. Baby in der Rufbereitschaft. Einer Hausgeburt steht also nichts im Wege. Zu der Erleichterung gesellt sich allerdings auch etwas Unruhe. Ich möchte nicht über den ET kommen, da ich vor der Geburt nicht noch einmal zu unserer Gyn möchte. Ich mag und schätze sie sehr, aber sie steht außerklinischen Geburten leider sehr kritisch gegenüber (und wir haben ihr gegenüber die Hausgeburt bisher nicht erwähnt). Ich teile diese Sorgen Nadine mit. Sie beruhigt mich (oder versucht es) und erinnert mich daran, dass es doch noch knapp 2,5 Wochen zum ET sind (und damit 3,5 Wochen bis zu einem möglichen Gyn Termin). Es ist also noch genügend Zeit.

Nichtsdestotrotz schreibe ich unserer Wochenbetthebamme Sarah, als wir wieder zu Hause ankommen. Sarah bietet eine geburtsvorbereitende Massage an und ich denke mir: Schaden kann das ja nicht und ein bisschen Entspannung kann ich gut gebrauchen. Wir verabreden uns also für Dienstag in der darauffolgenden Woche.

Der Große ist an diesem Dienstag Vormittag in der Kita, sodass ich mich voll auf die Massage einlassen kann. Die Massage tut mir sehr gut und ich fühle mich danach sehr entspannt. Wir verabreden uns für einen weiteren Massage-Termin in der nächsten Woche und Sarah verabschiedet sich mit den Worten „Wir sehen uns nächste Woche. Entweder mit oder ohne Baby.“ Ich muss schmunzeln, denn die Geburt ist für mich noch so weit weg. Was Sarah mir zu dem Zeitpunkt nicht sagt: Alle Frauen, die sie bisher massiert hat, haben 2-3 Tage später ihr Kind bekommen.

Drei Tage später – es ist Freitag, eine Woche vor ET…

…ich bin seit 04:30 Uhr wach, stehe um 05:00 Uhr auf und laufe im Wohnzimmer umher. Ich lese mir den Zettel mit der Beschreibung der Latenzphase vom Geburtshaus durch. Nicht alle dort beschriebenen „Symptome“ habe ich. Aber weiterhin alle 10 Minuten Wehen. Da ich so müde bin, schleiche ich wieder ins Schlafzimmer und versuche mich noch mal hinzulegen und zu schlafen. Aber das funktioniert nicht. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, denn liegen ist mit den Wehen (auch in den Pausen) sehr unangenehm. Also wälze ich mich hin und her bis gegen 06:30 Uhr unser Großer und dementsprechend auch meine Frau aufwachen. Das erste, was ich zu meiner Frau sage ist: Es könnte sein, dass es losgeht. Unser Großer ist an diesem Morgen auffällig kuschelbedürftig und so kuschle ich noch ausführlich mit ihm im Bett bevor wir aufstehen.

Während ich nach dem Aufstehen mit unserem Großen auf dem Sofa sitze und etwas frühstücke, trifft meine Frau letzte Vorbereitungen im Geburtszimmer. Ich halte das für etwas übertrieben… Es ist doch noch lange keine Geburt in Sicht – denke ich zumindest. Anschließend fragt mich meine Frau, ob wir den Großen trotz der Wehen zusammen zur Kita bringen und danach, wie jeden Freitag, einkaufen wollen.

Selbstverständlich tun wir das! Wir fahren also gemeinsam los. Erste Station: Kita Abgabe. Während meine Frau den Großen reinbringt überlege ich kurz ob wir wirklich noch einkaufen gehen. Aber nun sind wir schon zusammen unterwegs. Also ab zum Supermarkt.

Im Supermarkt kaufe ich reichlich Dinge, die ich mir während der Schwangerschaft verkniffen habe (z.B. Nektarinen und Lebkuchen). Ich stehe außerdem zwischendurch am Einkaufswagen und kreise während einer Wehe das Becken. Mir kommen Zweifel, ob das mit dem Einkaufen wirklich eine gute Idee war. Aber die Wehen werden nicht intensiver und auch nicht häufiger und so bringen wir den Einkauf noch gut hinter uns.

Als wir wieder zuhause sind frühstücken wir erst mal in Ruhe zusammen. Die Wehen kommen immer noch unverändert alle 10 Minuten. Plötzlich klingelt mein Handy – eine Freundin ruft an. Mit ihr haben wir uns damals mit Hypnobirthing auf die erste Geburt vorbereitet. Ihr klingelten wohl die Ohren. Zeitgleich bekommt meine Frau einen Anruf von der Kita, dass der Große uns vermisst und abgeholt werden möchte. Auch er scheint zu merken, dass es langsam losgeht. Also frühstücken wir noch mehr oder weniger in Ruhe zu Ende.

Ich entscheide in die Badewanne zu gehen um zu schauen wie sich die Wehen dann verhalten. Meine Frau fährt währenddessen in die Kita um den Großen abzuholen.

Die Badewanne tut mir sehr gut. Ich kann mich ein wenig entspannen, aber die Wehen kommen weiterhin regelmäßig. Als ich gerade aus der Wanne steige, kommt meine Frau mit dem Großen wieder nach Hause.

Es ist 11:30 Uhr und wir überlegen, ob wir jetzt die Hebammen informieren sollten. Wir sind uns ja noch immer unsicher, was diese Wehen bedeuten. Wir entscheiden, die Rufbereitschaftsnummer anzurufen und sind gespannt wer sich meldet. Es ist Barbara! Sie hat heute Dienst und als zweite Hebamme ist Michelle am Start, wie Barbara uns mitteilt.

Nachdem wir Barbara erzählt haben, was sich gerade in meinem Körper tut (zu den Wehen hat sich nun auch eine leichte Blutung eingestellt), schätzt sie es so ein als wäre noch Zeit. Sie meint wir sollen ganz entspannt bleiben, vielleicht noch mal schlafen oder den Tag so verbringen, wie wir es sonst auch tun würden.

Wenig später meldet sich Barbara allerdings noch mal. Zwischenzeitlich hat sie nachgeschaut wie lange sie zu uns brauchen würde. Da es für sie eine Stunde Fahrt bedeutet, hat sie entschieden bereits jetzt schon mal ins Geburtshaus zu fahren und dort auf mehr Infos von uns zu warten. Keine schlechte Idee, wie sich später herausstellen wird.

Während sich meine Situation noch nicht verändert, stellen wir fest dass unser Großer sein Lieblingsspielzeug in der Kita vergessen hat. Also springt meine Frau gegen 15 Uhr mit ihm ins Auto um noch einmal zur Kita zu fahren. Denn das ganze Wochenende ohne sein derzeitiges Lieblingsspielzeug wäre übel. Ich bleibe zuhause und ziehe mich ins Geburtszimmer zurück. Ich habe mir Kopfhörer geschnappt und höre eine, von unserer Freundin eingesprochene, Meditation während ich im erhöhten Vierfüßler, das Becken kreisend, Wehen veratme. Die Wehen kommen inzwischen alle 3-5 Minuten und sind etwas intensiver, ich komme aber noch sehr gut klar. Allerdings hoffe ich, dass meine Frau bald wieder heim kommt.

Als die Zwei samt dem Lieblingsspielzeug wieder heim kommen entscheiden wir noch mal Barbara anzurufen. Sie wiederum entscheidet, dass sie nun einfach schon mal zu uns kommt.

Ich überlege noch mal in die Wanne zu gehen um mich etwas zu entspannen – und das tue ich dann auch. Als Barbara bei uns ankommt steige ich gerade aus der Wanne und gehe wieder ins Geburtszimmer. Barbara fragt wie es mir geht und beobachtet mich während einer Wehe.

Wenig später untersucht sie mich einmal, denn ich möchte gerne wissen wo wir stehen.

3-4cm sind schon geschafft. Sie tastet auch noch mal wie das Baby liegt und es liegt noch immer, wie seit Wochen schon, mit dem Kopf unten und dem Rücken nach links. Auch die Herztöne werden gecheckt und sind perfekt. Es passt also alles.

Ich stelle mich wieder hin und versuche die nächste Wehe im Stehen zu veratmen. Es fällt mir gerade schwer eine gute Position zu finden. Ich begebe mich wieder in den erhöhten Vierfüßler auf das Sofa. So komme ich besser zurecht als im Stehen. Die Wehen werden nun immer intensiver. Barbara merkt das auch. Zwischen den Wehen gähne ich sehr viel – ich bin so müde. Ich würde gerne mal eine richtige Pause haben und etwas schlafen. Ich bin einfach schon zu lange wach. Mit meinem Gähnen stecke ich auch meine Frau an.

Meine Frau fragt nach einiger Zeit wann sie denn Wasser in die Badewanne einlassen soll. Ich bin dankbar für diese Frage, denn ich habe schon gar nicht mehr an die Wanne gedacht. Also entscheide ich, dass jetzt ein guter Zeitpunkt dafür wäre.

Während meine Frau also das Wasser in die Wanne einlaufen lässt packt Barbara ihre Sachen zusammen, die sie für die Geburt benötigt. Ich wundere mich: Soweit sind wir doch noch gar nicht, es dauert doch noch bis das Baby kommt – zumindest dachte ich das zu dem Zeitpunkt.

Ich gehe noch recht entspannt ins Badezimmer und steige in die Wanne. Unser Großer kommt angelaufen und bringt mir meine AirPods – die ich aber natürlich in der Wanne gerade nicht gebrauchen kann.

Als ich in der Wanne bin, muss ich erstmal eine Position finden in der ich gut weiterarbeiten kann. Knien kann ich gerade gar nicht. In einer Pause frage ich Barbara ob ich mich hinlegen kann. Rückenlage ist ja eigentlich die schlechteste Position die man wählen kann. Aber im Wasser ist das noch mal etwas anderes. Barbara sagt, dass ich mich ruhig hinlegen kann – was ich dann auch tue.

In dieser Position kann ich es gut aushalten. Nichtsdestotrotz wird es immer anstrengender für mich. Ich bin aber ganz bei mir, habe die Augen die ganze Zeit geschlossen und bin voll darauf fokussiert die Wellen zu verarbeiten.

Ca. 10 Minuten nachdem ich in die Wanne gestiegen bin, kommt Michelle dazu. Ich nehme das gar nicht so richtig wahr.

Ich veratme fleißig weiter die Wellen und merke, wie unser Baby immer tiefer rutscht. Barbara ermutigt mich irgendwann zu tasten, wie weit das Köpfchen schon ist. Und tatsächlich spüre ich es sehr schnell als ich mich selbst untersuche.

Irgendwann wird der Kopf sichtbar. Und ab da wird es für mich noch mal mehr anstrengender und ich fluche und sage dass ich nicht mehr will. (Später werden wir von meinem Schwiegervater erfahren, dass mein Tönen auch auf der Straße gut zu hören war – denn wir hatten vergessen das Schlafzimmerfenster zu schließen.)

Während meine Frau meine Hand hält, spricht Barbara beruhigend zu mir und ermutigt mich mitzuschieben, aber auch Pause zu machen wenn ich es brauche. Es kostet mich viel Kraft und Anstrengung. Aber irgendwann bleibt der Kopf nach einer Welle stehen und mit der Nächsten wird er geboren.

Damit meine Frau unser Baby in Empfang nehmen kann braucht sie beide Hände. Michelle hält nun meine Hand. Auch wenn ich ganz bei mir bin und vom Außen wenig mitbekomme, brauche ich jemanden die meine Hand hält

Jetzt muss sich unser Baby in meinem Becken drehen damit es geboren werden kann. Barbara gibt mir etwas Hilfestellung und ermutigt mich das Becken zu kreisen um dem Baby damit zu helfen. Langsam dreht es sich. Und mit einer letzten Welle und ganz viel Kraft schiebe ich unser Baby ins Wasser, wo es von meiner Frau in Empfang genommen wird. Sie legt es mir sofort auf die Brust. Ich bin völlig überwältigt – es ist geschafft, unser Baby ist da! Zuhause in der Badewanne geboren.

Während wir unser Baby begrüßen beobachten Barbara und Michelle die Situation sehr genau. Unser Baby hustet und niest Fruchtwasser aus. Und wie auch bei der Geburt von unserem Großen bekomme ich eine ordentliche Ladung Mekonium ab.

Nach ein paar Minuten stellen wir uns alle die Frage „Was ist es denn nun?“ Weder Michelle und Barbara, noch meine Frau und ich haben darauf geachtet, ob wir einen Sohn oder eine Tochter bekommen haben. Also schauen wir nach und stellen fest: Unser Großer hat einen kleinen Bruder bekommen. Der Kleine beschwert sich direkt mit lautem Schreien das wir nachgeschaut haben.

Während das Baby weiter auf meiner Brust liegt habe ich Nachwehen und nehme Paracetamol, weil die Schmerzen schon recht intensiv sind.

Ca. eine halbe Stunde nach der Geburt unseres Kleinen ist die Nabelschnur auspulsiert und die Plazenta wird, ebenfalls in die Badewanne, geboren.

Somit beginnt das Wochenbett!

Meine Frau übernimmt jetzt unser Baby und geht, begleitet von Michelle, ins Geburtszimmer (indem ich ja nun gar nicht geboren habe).

Nachdem ich mich in der Wanne einmal kurz abgeduscht habe, steige ich aus selbiger heraus und gehe, begleitet von Barbara, ebenfalls ins Geburtszimmer. Dort übernehme ich unser Baby wieder und meine Frau holt nun unseren Großen dazu, der während der Geburt unten (bei Oma und Opa) war.

Barbara untersucht mich – und stellt leider fest dass ich Geburtsverletzungen habe, die genäht werden müssen. Sie nimmt meine Angst davor sehr ernst und erklärt mir genau was sie tut. So ist es für mich nicht so schlimm wie ich befürchtet habe.

Als mein erster Toilettengang ansteht macht mein Kreislauf schlapp, während ich auf der Toilette sitze. Aber Barbara und Michelle wissen genau was zu tun ist und ich fühle mich zu jedem Zeitpunkt sehr sicher und bin voller Vertrauen.

Nachdem ich ihm Bad eine Weile auf dem Boden gelegen habe, mit dem Kopf auf Michelles Knien und den Beinen nach oben, geht es mir besser und ich krabbel auf allen Vieren zurück ins Geburtszimmer. (Das muss wirklich lustig ausgesehen haben.)

Während ich wieder liege und noch etwas esse und trinke, macht Michelle die U1. Wie sich schon unter Geburt gezeigt hat, ist unser Baby sehr fit und auch gar nicht so groß und schwer wie ich „befürchtet“ hatte.

Michelle und Barbara ziehen sich anschließend zurück um das Organisatorische und ein paar Formularitäten zu erledigen. Außerdem untersuchen sie die Plazenta (ob diese auch vollständig ist) und machen für uns zwei Plazentaabdrücke (dies habe ich mir im Vorfeld gewünscht). Währenddessen kuscheln wir Vier und lernen uns schon etwas kennen. Wir sind alle Vier inzwischen aber auch einfach müde und freuen uns aufs Bett.

Barbara und Michelle führen mit uns noch ein kleines Abschlussgespräch. Dann gehe ich noch einmal auf die Toilette – diesmal ohne Zwischenfall. Und danach geleiten uns die beiden ins Schlafzimmer. Auch diesen Weg schaffe ich gut (ohne das mein Kreislauf schlapp macht).

Und so verabschieden sich Michelle und Barbara gegen 23 Uhr und wir Vier fallen einfach nur müde ins Bett.